Experteninterview
Das Ideal, dass im E-Commerce alle involvierten Systeme miteinander „sprechen“ und automatisiert sowie in Echtzeit Daten austauschen, lässt so manches Online-Händler-Herz höherschlagen. Kein Wunder, denn die Vorteile funktionierender Schnittstellen liegen auf der Hand: automatisierte Geschäftsprozesse, weniger Fehler und weniger manuelle Datenpflege. Kunden können schneller bedient werden und sind zufriedener.
Doch Projekte werden mit dem Thema „Schnittstellen“ komplexer, denn die Anforderungen sind meist sehr individuell. Grund genug, bei unserem Experten Wolfgang Vogl nachzufragen, worauf es grundsätzlich ankommt, welche Spezialitäten es im Kfz-Aftermarket gibt und warum es sich lohnt, gezielt in Schnittstellen zu investieren.
Wolfgang, inwiefern spielen Schnittstellen in E-Commerce- und Digitalisierungsprojekten des automobilen Aftermarkets eine wichtige Rolle? Was sollten sie in Bezug auf die Kundenerwartung leisten?
Schnittstellen sind die zentralen Lebensadern eines E-Commerce-Systems. Sie sorgen dafür, dass die hochspezialisierten Teilsysteme einer digitalen Gesamtlösung mit den notwendigen Daten versorgt werden. Und zwar zu jeder Zeit: richtig, vollständig und aktuell.
Gerade im automobilen Aftermarket haben wir es mit sehr großen Datenmengen zu tun. Ein Produktkatalog mit Kfz-Ersatzteilen hat schon mal gut über eine Million Artikel. Der Kunde erwartet eine große Sortimentsauswahl mit hochauflösenden Produktbildern und umfangreichen Beschreibungen. Diese sicher, zuverlässig und performant vom Datenprovider über ein ERP-System oder eine Middleware in den Online-Shop zu übertragen, ist keine leichte Aufgabe.
„E-Commerce braucht intelligente Konnektoren, um verschiedenste IT-Systeme zu verbinden. Daten müssen stets richtig, vollständig und aktuell bereitstehen. Es ist die Basis für kundengerechte, rentable Prozesse.“
Hierzu benötigt es robuste und intelligente Konnektoren, welche die unterschiedlichsten IT-Systeme und Datenformate optimal miteinander verbinden. Nur automatisierte, effiziente und fehlerfreie Prozesse werden den Kunden gerecht und ermöglichen damit einen rentablen Betrieb der Commerce-Plattform.
Womit sollte man einsteigen und was ist bei Schnittstellen das richtige Maß und Ziel? Welche Systeme müssen wie miteinander verbunden sein? Und, müssen immer alle Daten überall und in Real-time verfügbar sein?
Zumindest sollte das unternehmensinterne ERP-System über eine Middleware mit der Online-Plattform verbunden sein. Im Automotive Aftermarket kommen in der Regel branchenspezifische Datenprovider wie zum Beispiel TecDoc oder Schwacke hinzu. Sie liefern vor allem die technischen Basisdaten für alle marktrelevanten Kfz-Ersatzteile und Fahrzeugzuordnungen. Das heißt, die Logik für „welches Ersatzteil passt in welches Fahrzeug“. Mit diesem Minimum-Set an verbundenen IT-Systemen kann ein professioneller Angebotsprozess aufgebaut werden.
Nun gilt es, die Bestellungen ebenso sicher und zuverlässig von der Online-Plattform über die Middleware ins ERP zurück zu übermitteln. Fünf- bis zehntausend Bestellungen pro Tag sind bei unseren Kunden keine Seltenheit. Das funktioniert nur, wenn alles optimal miteinander vernetzt und automatisiert ist. Externe Systeme für die Logistik über Versanddienstleister wie zum Beispiel DHL, Hermes oder Speditionen und für Zahlarten über Payment-Provider wie PayPal, Kreditkarten etc. müssen ebenfalls integriert werden.
Im Grunde müssen fast alle Transaktionen in Echtzeit ausgeführt werden. Der Kunde möchte sofort bestätigt haben, ob seine Zahlung akzeptiert wurde. Die Ware soll am besten taggleich ausgeliefert werden. Preise ändern sich mehrmals täglich und verfügbare Lagerbestände müssen eh bei jeder Bestellung neu berechnet werden.
Systemarchitektur mit zentraler Middleware bringt viele Vorteile
Welche Rolle spielt eine zentrale Middleware und unter welchen Voraussetzungen sollten Online-Anbieter von Kfz-Teilen und Services eine solche einführen?
Nun kann man versuchen, die oben genannten Systeme jeweils einzeln miteinander zu verbinden. Die mathematische Formel für die maximale Anzahl entstehender Verbindungen lautet: N * (N – 1) / 2. Gehen wir nun von einer durchschnittlichen Anzahl von sieben Systemen aus, ergeben sich 7 * 6 / 2, sprich 21 mögliche Schnittstellen. Keine gute Idee.
Daher hat sich der sogenannte Middleware-Ansatz nach dem Hub-and-Spoke-Prinzip durchgesetzt. Die Middleware fungiert als Daten-Hub, der als zentraler Knotenpunkt mit flexiblen Konnektoren die einzelnen IT-Systeme mit Daten versorgt bzw. Daten entgegennimmt und weiterleitet. Die Anzahl der Schnittstellen reduziert sich damit dramatisch.
Ein weiterer Vorteil einer Middleware ist, dass sie zentral prüft, ob Daten richtig, vollständig und aktuell sind, bevor diese online für den Kunden sichtbar werden. Mittels einer Produktdatenmanagement-Komponente (PDM) können Daten weiter aufbereitet, ergänzt und veredelt werden. Das ist wichtig, um sich vom Wettbewerb abzuheben.
„Um die Vielzahl an Schnittstellen zu bündeln, empfiehlt sich eine Middleware als zentraler Knotenpunkt für sicheren Datentransfer. Besonderes Augenmerk liegt auf E-Commerce-tauglichen Daten und dem Produktdatenmanagement.“
Zudem kann ein etwas ambitionierter Online-Händler neben dem eigenen Online-Shop schnell und einfach weitere Verkaufskanäle wie Ebay oder Amazon hinzunehmen. Von daher empfehle ich von Anfang an einen IT-Architektur-Ansatz unter Einbindung einer Middleware, zum Beispiel von Speed4Trade.
Welche Datenbasis ist für funktionierende Schnittstellen und einen gewissen Automatisierungsgrad essentiell? Und, welche Rolle/Aufgabe hat der Anbieter von Ersatzteilen selbst in punkto Daten, Schnittstellen und Prozesse?
Die Frage, die sich hier stellt: Hat der Teilehersteller oder -händler überhaupt die notwendigen Daten wie hochauflösende Bilder und verkaufsstarke Beschreibungen möglicherweise in unterschiedlichen Sprachen etc. irgendwo gespeichert?
In der Praxis zeigt sich leider zu oft, dass nicht technische Defizite einen erfolgreichen Online-Start verzögern, sondern das Nichtvorhandensein geeigneter Daten. Im Automotive Aftermarket können wir zwar auf etablierte Datenprovider wie TecDoc für IAM-Teile oder Schwacke für OE-Teile setzen, das ist allerdings nur die Basis. Ein Online-Händler muss in der Regel zumindest für seine gängigsten Produkte E-Commerce-taugliche Bilder erstellen lassen. Ähnliches gilt für Produktbeschreibungen, Artikelmerkmale oder Filterattribute. Das ist, wie gesagt, weniger ein technisches als vielmehr ein organisatorisches Problem.
Sind die Daten einmal vorhanden, sorgen Automatismen im Backend der Middleware für den reibungslosen Austausch unter den IT-Systemen. Sogenannte „Jobs“ können entweder zeit- oder ereignisgesteuert Daten aufnehmen, konvertieren und an die Zielsysteme wie Online-Shops oder -Marktplätze weiterleiten.
Welche aktuellen Trends siehst Du bei Schnittstellen in E-Commerce-Ökosystemen?
Die aktuellen Trends bei der Entwicklung von E-Commerce-Ökosystemen werden unter dem Schlagwort „MACH“ diskutiert. MACH steht für Microservice-Architektur, API-First-Ansatz, Cloud-native und Headless Commerce. In Bezug auf die Schnittstellen steht dabei der API-First-Ansatz im Vordergrund. Ich glaube, heute kommt keiner mehr auf die Idee, Daten direkt von einer Datenbank in eine andere zu verschieben.
Als sehr guten Kompromiss von einfacher Entwicklung, flexiblen Datenstrukturen und Performance hat sich die REST-API-Technologie herauskristallisiert. Sie ermöglicht den Datenaustausch zwischen unterschiedlichsten IT-Systemen über standardisierte Schnittstellen, wobei der Einsatzzweck nicht auf die Integration von Fremdsystemen beschränkt bleibt. Auch die einzelnen Komponenten der zentralen Online-Plattform kommunizieren im besten Fall ausschließlich über REST-APIs. Das heißt, die Business-Logik der Microservices untereinander ebenso wie das Frontend mit dem Backend der Plattform.
Vielen Dank für das Interview.
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