Der Mittelstand überlässt Konzernen und Startups das Online-Plattform-Geschäft.
Mittelständische Unternehmen haben das Potenzial, von Plattform-Innovationen zu profitieren. Sie überlassen jedoch Konzernen und risikokapitalfinanzierten Startups den Aufbau von Plattform-Ökosystemen, so das Fazit der Studie “Plattform-Innovationen im Mittelstand”1. Die Gründe sind vielfältig. Sie reichen von mangelndem digitalen Verständnis über fehlende Finanz- und Personalressourcen bis hin zu Unsicherheiten bezüglich Datensicherheit und Datenschutz.
Untersuchungen zeigen, dass mittelständische Unternehmen durchaus ihre Budgets für IT-Infrastrukturen und Software erhöhen. Ziel der Investitionen sind jedoch primär die klassischen Themen: Automatisierung, Prozessoptimierung, Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerungen. Neue digitale Geschäftsmodelle mit exponentiellen Wachstums-Chancen, wie sie durch Online-Plattformen möglich sind, stehen nicht im Fokus der Überlegungen. Mittelständische Unternehmen sind daher oft vielmehr “Zuschauer” oder “Betroffene” der globalen Dominanz von Plattformen großer Konzerne oder aggressiver Startups als aktive Gestalter. Nicht selten bauen die Portale im Hintergrund auf die Technologien der Global Player Amazon, Google, IBM oder Microsoft auf.
Transaktionsdaten sind das „Gold“ der Digitalisierung
Nach dem Siegeszug im Business-to-Consumer-Bereich (B2C) werden digitale Plattformen in den nächsten Jahren auch den Business-to-Business-Sektor (B2B) einnehmen. Sie werden die Wertschöpfung ganzer Branchen und Marktsegmente transformieren. Dabei spielen neben den Geschäftstransaktionen vor allem die Sammlung und Analyse der Daten eine entscheidende Rolle. Daten sind das neue “Gold” der Digitalisierung. Umso mehr ist es für den Mittelstand entscheidend, diese Wertschöpfung selbst oder in Kooperation mit Partnern zu heben. Bestehende Lieferketten, Netzwerke und regionale Cluster bieten eine gute Basis, eine Plattform vom Mittelstand für den Mittelstand zu entwickeln.
Es ist an der Zeit, Online-Plattform-Kompetenz breit im Management aufzubauen. Die Berührungsängste müssen abgebaut werden. Daran führt kein Weg vorbei. Wie sonst ist es möglich, tragfähige Digitalstrategien mit belastbaren Kosten-Nutzen-Kalkulationen zu entwickeln. Denn Plattform-Geschäftsmodelle folgen einer anderen Wertschöpfungslogik. Ist das notwendige Wissen noch nicht im Haus, sollte auf spezialisierte Berater und Dienstleister zurückgegriffen werden. Das Themengebiet Digitalisierung ist in der Regel noch zu neu, um auf bereits vorhandene Erfahrungen aufbauen zu können. Eine Qualifizierung durch Experten beschleunigt die Strategie- und Planungsphase deutlich.
Hürden abbauen, Potenziale heben
Datensicherheit, Datenschutz und Datensouveränität sind drei Muss-Kriterien für plattformbasierte Geschäftsmodelle, so eine Studie der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft2. Selbstverständlich muss diesen Bedenken Rechnung getragen werden. Schon aus gesetzlichen Gründen ist der Plattform-Betreiber in der Pflicht, Datenaustausch, -speicherung und -verwendung auf dem aktuellen Stand der Technik sicherzustellen. Alle Beteiligten einer Plattform-Initiative können dabei die Gelegenheit nutzen, einheitliche Datenformate, Schnittstellen und Integrationsanforderungen abzustimmen. So werden Insellösungen vermieden und die Basis für ein größeres Ökosystem gelegt.
Online-Plattformen benötigen möglichst viele Nutzer, um Potenziale aus Skaleneffekten zu realisieren. Je mehr Nutzer am Start sind und langfristig gewonnen werden, umso schneller können Unsicherheiten in der betriebswirtschaftlichen Kalkulation für Entwicklung und Betrieb der Plattform abgebaut werden. Klar ist, Plattform-Innovationen sind langfristige Investments. Sie brauchen Anlaufzeit und beständige, engagierte Unterstützung aller Partner.
Die wachsende Bedeutung digitaler Plattformen ist im Bewusstsein des deutschen Mittelstandes angekommen. Erste Projekte wie zum Beispiel adamos.com (Maschinenbau) oder wind-turbine.com zeigen, wie es funktionieren kann. Jetzt gilt es, die Stärken Spezialisierung, Individualisierung und langjährige Partner- und Beziehungsnetzwerke des deutschen Mittelstandes in die Online-Welt zu übertragen. Nur der Mittelstand selbst kann die Lösungen schaffen, die er für die granularen Bedürfnisse seiner Kunden braucht.
¹ Studie: Plattforminnovation im Mittelstand – https://graphite.page/hiig-dapla/
² Studie: Plattformen – Infrastruktur der Digitalisierung – https://www.vbw-bayern.de/Redaktion/Frei-zugaengliche-Medien/Abteilungen-GS/Wirtschaftspolitik/2019/Downloads/Plattformen-Infrastruktur-der-Digitalisierung_final_neu.pdf